Landsberg
im 20. Jahrhundert
Bürgervereinigung zur Erforschung der Landsberger Zeitgeschichte

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Dokument

„Schach den Juden“

Landsberger „Protest „gegen die Juden, veröffentlicht 1850, 1923 und 1935

 

 Hohe Kammer der Reichsräthe

 Protest des "consitutionell Monarchischen Vereins" zu Landsberg gegen die Juden-Emancipation.

 Die Würfel sind gefallen. der 14. Dez. 1849 war der verhängnisvolle Tag, an dem in der II. Kammer das lukrative Spiel stattfand. Die Gewinnenden sind 60 000 Juden, ohne allen Einsatz, die Verlierenden 4 Millionen Christen mit teuren, sehr teuren Opfern!

Ist schon der Schluß des Spieles sehr indignierend wegen Außerachtlassung der gesetzlichen Formalien und einer so inhaltschweren, das ganze Land so schwer berührenden Frage und wegen ungesetzlichen Einflusses der Gallerien auf die debattierenden Kammermitglieder, so indigniert dich noch unendlich mehr im Hinblick auf die Wirkungen des also zustandegekommenen Kammerbeschlusses in Betreff der Juden-Emancipation, falls er von der 1. Kammer sanktioniert werden sollte. Ein Volk, uns verschieden im National-Charakter, Sitte, Dogma, Moralgesetz - besonders in der Gerechtigkeit gegen Christen - Kult - nur geduldet bisher in unserem Vaterlande - soll durch diesen Beschluß mit uns Eingeborenen gleiche bürgerliche, gleiche staatliche Rechte erhalten? Warum dies?

Hat es sich vielleicht um das allgemeine Beste, um den Staat, so große Verdienste erworben? Ist es eingestanden mit Glut und Blut in Tagen schwerer Kämpfe für unser Vaterland, - hat es retten, hat es siegen helfen? Hat es vielleicht Millionen der Staatsschuld aus seinem Säckel gedeckt und Großmut und Opferwilligkeit allenthalben gezeigt? Welche erheblichen Leistungen in materieller und spiritueller Hinsicht zur allgemeinen Wohlfahrt zu Tage gefördert?

Und wenn die nach Verdienst richtende Geschichte nichts von all dem und von anderem Rühmlichen nur sehr wenig zugesteht, - soll es dann doch mit uns Rechte erhalten? Wäre das recht, wäre das billig?

Und solch ein ominöses Spiel hat die II. Kammer mit uns gespielt, hat uns, dem ganzen Vaterlande Schach geboten. - Ja, Schach hat es Dir geboten christlicher Staat Bayern, indem es dich damit entchristlicht! Oder soll Dir das Praerogativ: "Christlich", auf das Dein ruhmreiches Ahnengeschlecht so groß hielt und es eben dadurch groß und ruhmvoll machte, Dir nun ganz unrühmlich gelten und Du es so wohlfeil, ja, wie wertloses hingeben können und wollen! Schach ist aber auch geboten der Hebung der sozialen Noth, die so empfindlich in unsere Staatsverhältnisse eingegriffen! Der emancipierte Jude wird ihr zwar auf Augenblicke steuern, aber so, daß ihr für alle Zukunft nicht mehr gewehrt, nicht mehr geholfen werden kann. Wie es jetzt schon bei den Einzelnen der Fall, die in Judenhände geraten, dem Pauperismus verfallen, so wird es dann im Großen, wo nicht im Allgemeinen werden.

Unser Landgericht kann hierfür aus jüngster Zeit betrübend Zeugnis geben. Schach auch dem Handel und Gewerbe zu großem Teil, denn wie die selbsterzeugenden Gewerbetreibenden mit den Fabriken die Concurrenz nicht aushalten, ebenso wenig mit der compacten Masse der Juden, die stets auf den Beinen sind, nur hier - Millionen halten, während der betriebsame Bayer seinen Herd liebt und bei ihm bleiben muß!

Schach endlich dem bei uns bisher Land und Leute ergiebig ernährenden Agrikulturstande, denn die erträglichen Bauerngüter werden dann baldigst in die Hände der Juden kommen, nicht aber um sie selber zu bewirtschaften, sondern um sie zu zertrümmern, auf daß sie ärnten, sehr reichlich ärnten können ohne säen zu brauchen. Abgesehen aber davon, daß solche Wirtschaft nur den Juden bereichert und die Parzelleninhaber meistentheils verarmen steht vor allem Deteriorirung des Grundes und Boden bei solcher Kleinwirtschaft in Aussicht., größere Verarmung der Unterthanen, schwere Last für die Gemeinde und selbst empfindlicher Nachtheil für den Staat.

Doch "matt" sind wir noch nicht, wenn die hohe Reichsrath-Kammer ihre Zustimmung verweigert. Und wir haben zu Ihr das große unerschütterliche Vertrauen, daß Sie uns das so empfindlich geschlossene Feld durch einen wahrhaft vaterlandsliebenden Zug eröffne zu Ihrer eigenen Ehre und zur Wohlfahrt des Vaterlandes in Desavouierung des II. Kammerbeschlusses in seiner Allgemeinheit.

Gern gönnen wir den Juden eine freiere Bewegung und wollen ihnen nicht mehr aufgehalst wissen die odiösen Ausnahmegesetze, insoferne die bürgerlichen und staatlichen Rechte nicht Nachtheil nehmen; nimmer aber können wir uns beruhigt finden, wenn sie berechtigt werden sollten zu Staatsämtern und - Würden, insbesondere zu Stellen und Funktionen, die mit der christlich-katholischen Kirche und ihren Institutionen und den christlichen Schulen zusammenhängen, und zur Ansässigmachung aller Orts und Gewerbeausübung ohne Berücksichtigung des absoluten Widerspruchrechtes, eingeholt von allen Bürgern der Gemeinde - dagegen legen wir feierlichen Protest ein.

Lieber nochmal 7 Millionen Schulden - gewiß eine schwere Last! - und zwar auf uns christlich-bayerische Unterthanen allein, ohne Concurrenz - Beiträge der Juden, als ihre Gleichberechtigung mit uns!

Dieser unserer Überzeugung dürfte die ungeheure Majorität des christlich bayerischen Volkes beistimmen, würde eines Herrn Abgeordneten Vorschlag: Gemeinde für Gemeinde um das Pro und Contra der Judenemancipation zu fragen - beachtet.

Da wir nun zur hohen Reichsrathkammer das unwandelbare Vertrauen haben, daß Sie des Volkes Stimme höre und erhöre, zeichnen bittlich in allertiefster Ehrfurcht

Landsberg, 12. Januar 1850

Michael Faul, Vorstand
Joseph Benedikt, Stadtkaplan
Xaver Betz, Schullehrer
Franz Joseph Sutor, Maler
Franz Xaver Berger, Seiler
Cölestin Schmid, Strumpfwerker