Landsberg
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Dokument

Brief Joseph Hackelsperger vom 29.4.1945

29. April 1945

Joseph Hackelsperger

Bahnhof - Katharinenstraße

Landsberg/Lech

 

Heute früh versuchten meine Frau und ich in den Bahnhof rein zu kommen. Dies wurde uns von einem amerikanischen Posten verweigert. Beim Weggehen vom Bahnhof wurde ich (und ein Lademeister des Bahnhofes) von einer amerikanischen Streife verhaftet und zu einem Lastkraftwagen in der Nähe der Lechbrücke geführt und verladen. 10 - 12 Männer waren bereits darauf. Weitere Männer folgen, dann fährt der Lastkraftwagen, hinten mit amerikanischen Soldaten besetzt, los. Wir wissen nicht wohin es geht. Der Wagen fährt Richtung Kaufering, weiter bis Kolonie Hurlach, dann links ab in das Konzentrationslager, in dem vordem die Juden untergebracht waren. Wir dachten alle, jetzt sind wir die Häftlinge. Es kam jedoch anders. Im Lager waren bereits Männer an der Arbeit eine große Grube zu Graben. Wir neu Hinzugekommenen mußten nun die toten Juden im Lager sammeln. Diese lagen teils auf den Wegen, teils in den ehemaligen Unterkünften in Mitten verkohlter Balken. als die toten Juden im Lager bei den Gruben - eine weitere wurde inzwischen zu graben begonnen - zu den bereits dort liegenden Juden (es waren sehr viele) gelegt waren, wurden wir zu dem in der Nähe des Bahndammes Kaufering - Hurlach geführt. Dort lagen eine große Menge toter Juden. Diese sollten angeblich durch deutsche Flieger getötet worden sein. Ein trostloses Bild und dazu der starke Leichengeruch. Die Juden wurden ebenfalls zu der Sammelstelle bei den Gruben getragen. Zwei Mann mußten immer einen Toten tragen, am Anfang ohne Behelfsmittel. Als ich einmal mit meinem Helfer zur Grube kam, hörte ich den die Gräber befehlenden Aufseher rufen: "Das haben wir gelernt von den Deutschen!" Da hatte dieser auch vollkommen recht. Am Nachmittag wurde in der Arbeit gewechselt. Ich kam zu den Gräbern in der zweiten Grube. Bald erschienen nunmehr cirka 100 Bauern aus der Umgebung und mußten vor den toten Juden antreten. Ein hoher amerikanischer Offizier - es kann auch ein hoher Beamter der amerikanischen Verwaltung gewesen sein - erschien und hielt eine Ansprache in amerikanischer Sprache; ein neben ihm stehender amerikanischer Soldat übersetzte Satz für Satz in die deutsche Sprache Die Ansprache enthielt ungefähr folgendes: Wir haben sie als Vertreter der umliegenden Ortschaften hierherkommen lassen, damit sie sehen, wie hier die Deutschen hausten. Nehmen sie davon Kenntnis und überbringen sie das Gesehene und Gehörte ihren Angehörigen und Bekannten, was die Deutschen hier gemacht haben. Wir wollen einen Frieden in dem Deutschland wieder auferstehen möge. Die Bauern nahmen hiervon Kenntnis. Während der Ansprache äußerten sich die Bauern wiederholt bei den aufschlußreichen Erläuterungen durch Pfui-Rufe über das Ergebnis der Nazi-Regierung. Zum Schluß wurde noch der Lagerführer, der das Lager zu betreuen hatte vorgeführt. Alsdann wurde den Bauern die Unterkünfte der Juden gezeigt, damit sie auch sehen können unter welch krassen Verhältnissen die Juden untergebracht waren in den sechs Jahren ihrer Leidenszeit.

Wir Gräber gruben alsdann wieder weiter bis ungefähr 4 Uhr nachmittags. Vor dem Abtransport nach Landsberg mittels Lastkraftwagen wurden wir wegen der bestehenden Seuchengefahr über die Vorsichtsmaßregeln belehrt. Gegen 6 Uhr Abends kam ich alsdann vollkommen erschöpft, ob des Gesehenen und Gehörten, sowie der außerordentlichen schweren Arbeit in der Wohnung meiner Tochter an.

Das war nur ein Tag des grausigen Geschehens, die Juden haben das fast 6 Jahre gehabt und geleistet bei einer vollkommen ungenügenden Ernährung und der allerschlechtesten Behausung.

 

Joseph Hackelsberger

 

Joseph Hackelsperger war Reichsbahnobersekretär am Bahnhof in Landsberg am Lech. Er war ehrenamtlich einer der leitenden Herren des Landsberger Roten Kreuzes. Durch die Erlebnisse am 29. April1945 erhielt er einen furchtbaren Schock und starb 1946 im Alter von 59 Jahren. Überlebende KZ-Häftlinge haben ihn wenige Wochen nach der Befreiung aufgesucht und mit Lebensmitteln beschenkt, da er ihnen des öfteren bei Gleisbauarbeiten unter gefährlichen Umständen Brot und andere für sie wichtige Dinge zugesteckt hatte. Diesen Brief hat uns die Tochter von Herrn Hackelsperger überlassen, der wir dafür herzlich danken.

 

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