Landsberg
im 20. Jahrhundert
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Hermann Zwi Kratz erzählt seine Erlebnisse im KZ-Kommando Kaufering VII

Aus dem Interview von Anton Posset

 

Bild aus dem Archiv von Anton Posset

Auszug aus einem Interview mit Hermann Zwi Kratz am 29. Juni 1994 im Haus der Familie Posset; Teilnehmer: Hermann Zwi Kratz, Zeitzeuge; Interviewer: Anton Posset; Anwesende: Manfred Deiler, Helga Deiler, Michael Strasas; Helene Posset

Inhalt: 0:00 – 2:55: Transport und Ankunft Lager 7 / 2:56 – 5:36: Strafen – Hinrichtung / 5:37 – 7:24: Lagerkapo Willi / 7:25 – Ende: Tod des Vaters.

 

Hermann Zwi Kratz wird 1924 in der Stadt Chust (heutige Ukraine) geboren. Dort verlebt er seine Kindheit. 1940 darf er als Jude nicht mehr am Schulbesuch teilnehmen. Das gutgehende Geschäft (Handelsvertretung für Singer-Nähmaschinen) seiner Eltern wird 1941 geschlossen und der damals 16jährige Hermann muß als Holzarbeiter für die Existenz der Familie sorgen.

Im April 1944 werden alle Juden von Chust ins Ghetto zwangsumgesiedelt. Am 26.Mai 1944 wird er zusammen mit den Eltern und seinen drei Brüdern nach Auschwitz deportiert. Dort sieht er die Mutter und seine Brüder das letzte Mal. Nur sein Vater (55 Jahre) und er überleben die Selektionen. Als bei einem Zählappell Bauarbeiter gesucht werden, melden sich die beiden. Sie werden nach Warschau transportiert, wo sie zusammen mit Tausenden KZ-Häftlingen Zwangsarbeit leisten und die Reste des Warschauer Ghettos abbrechen müssen.

Als im Juni 1944 Warschau von den russischen Streitkräften bombardiert wird, werden die KZ-Häftlinge erneut verschleppt. Eingepfercht in einem Viehwaggon erreicht Hermann und sein Vater nach einer Fahrt von zehn Tagen Dachau. Von dort geht es weiter in das KZ-Kommando Kaufering VII. Dort stirbt sein Vater wenige Wochen später in seinen Armen an Typhus. Er steckt sich an, übersteht die Seuche und wird im April 1945 ins KZ-Kommando Kaufering IV verlegt. Dieses Lager wird Ende April 1945 liquidiert. Hermann wird mit anderen, noch gehfähigen KZ-Häftlingen, von der SS in Richtung Dachau getrieben. Die Marschkolonne schleppt sich bis Allach, wo Hermann Kratz schließlich von US-Truppen befreit wird.

Hermann Zwi Kratz (li) erzählt seiner Familie von seinen Erlebnissen im KZ-Kommando Kaufering VII

In einem Spital bei Landsberg wird er medizinisch versorgt. Er wiegt zu dieser Zeit 35 Kilogramm (Körpergröße 1,68). Nach fünf Wochen fährt Hermann in seine Heimatstadt Chust um nach Verwandten zu suchen. Dort trifft er seine Jugendliebe wieder, heiratet und gründet mit ihr in Eger eine Familie. Ende 1946 fährt er nach Deutschland und errichtet bei den Massengräbern des KZ-Kommandos Kaufering VII zum Andenken an seinen Vaters einen Gedenkstein. Im Februar 1949 wandert er zusammen mit seiner Familie nach Israel aus.

1995 kehrt Hermann Zwi Kratz in Begleitung von fünfzehn Angehörigen nach Landsberg zurück, um mit Ihnen gemeinsam am Gedenkstein seines Vaters das Kaddish (Totengebet) zu sprechen. Hermann Zwi Kratz verstarb am 21. April 2009 in Israel.

Hermann Zwi Kratz (li.) auf dem KZ-Friedhof des ehemaligen Lagers Kaufering VII vor dem Gedenkstein seines Vaters. Neben ihm sein Enkel Avi (1995)

 

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